Mythos Langemarck

Bild zeigt die Langemarckstrasse in Bremen
Langemarckstrasse, Bremen
Ehrenmal_Technische_Hochschule_.2.1934_Bildungssenator von Hoff
Quelle: Staatsarchiv Bremen - 9,S-9-69_2-1_002,Ehrenmal_Technische_Hochschule_4.2.1934
11. November 1933
Langemarkstrasse An der BSAG Haltestelle "Hochschule Bremen", Bremen-Neustadt

Langemarck, ein Ort in Westflandern/Belgien, gelangte im Ersten Weltkrieg zu einiger Bedeutung. In den dortigen militärischen Kämpfen gab es auf beiden Seiten viele gefallene Soldaten. Alleine auf deutscher Seite kamen ca. 2.000 Soldaten ums Leben. Langemarck erhielt damals für Deutschland eine fast schon mythologische Bedeutung, weil sein Name mit den angeblichen patriotischen Gefühlen junger Deutscher, insbesondere Studenten, im Kampf vor Langemarck verbunden wurde.
Die Nationalsozialisten verfolgten eine „Erziehung im Geist von Langemarck“, weil ihnen dies in der Phase der unmittelbaren Kriegsvorbereitungen ab 1933 besonders wichtig war.  Bereits am 4. Februar 1934 weihte der damalige NS-Bildungssenator, Richard von Hoff, ein Denkmal zu Ehren der 200 gefallenen Bremer in der Schlacht bei Langemarck ein (siehe Bild).
Der Bürgermeister Bremens griff wenig später die Initiative des Reichsstudentenführers auf, auch in Bremen einen „würdigen und entsprechend bedeutungsvollen, schönen Straßenzug“ am damaligen „Technikum“ der „Langemarck-Idee“ zu widmen. Nun sollte die ganze Straße nach dem Ort benannt werden. Ein kürzerer Straßenabschnitt würde zwar Umstellungsprobleme verringern, wäre aber in ihren Augen der Sache nicht angemessen. Daher wurden 1937 die Große Allee, Kleine Allee und Meterstraße umbenannt in „Langemarckstraße“.

Zum Langemarck-Tag (traditionell seit dem 11. November 1937 gefeiert) gab das Bremische Staatsamt die Umbenennung bekannt. Bei der Gelegenheit wurde der Name „eingedeutscht“, denn der belgische Ort wird eigentlich ohne „c“, Langemark geschrieben. Am Tage der Veröffentlichung wurden bereits die neuen Straßenschilder angebracht. Am selben Abend hielt der Bürgermeister die Hauptansprache bei der Langemarck-Feier der Gaustudentenführung. Er verpflichtete die Studenten auf den „Geist von Langemarck“, in dem er u. a. sagte:

Sie (die heutige Jugend) muss wissen, dass ihr Leben nicht leicht sein soll, sondern dass sie ebenfalls stets bereit sein muss, dem großen Vorbild gemäß einzustehen für Deutschland bis zum letzten. Der Nationalsozialismus Adolf Hitlers hat dem Sterben der Tausende vor Langemarck den rechten Wert gegeben … Ein Volk, dessen Jugend so zu sterben wisse, hätte nicht zum Untergang verdammt sein können. So seien uns die Tat der jungen toten Helden von Langemarck flammendes Beispiel für die ewige deutsche Jugend.“

Nicht mal zwei Jahre später zog die Wehrmacht in Polen ein und löste den Zweiten Weltkrieg aus.

In Belgien, das seit 1940 von der deutschen Wehrmacht besetzt war, schlossen sich Tausende nationalistische junge Flamen der Flämischen Legion der Waffen-SS an. Ab Oktober 1941 beteiligten sich die Freiwilligen u. a. an der Belagerung von Leningrad. 1943 wurde unter der Führung von SS-Sturmbannführer Conrad Schelling aus ihren zum Teil durch die Kämpfe ausgedünnten Reihen, die Sturmbrigade „Langemarck“ gebildet. Später wurde daraus die „Langemarck“- Division. Französischsprachige wallonische Nationalisten kämpften ebenfalls auf deutscher Seite. Ausgerechnet also Belgier selbst, aus diesem im Ersten Weltkrieg so schwer von deutschen Truppen geschundenen Land, trugen damit zur weiteren Verbreitung des Mythos von Langemarck bei. Als die Letzten von ihnen noch an der Ostfront kämpften, war ihr Land bereits von den alliierten Truppen befreit. Der Traum von einem selbständigen Flandern oder Wallonie war ausgeträumt.

Das Denkmal an der Langemarckstraße, direkt vor der Hochschule Bremen, blieb erhalten. Am 5. Januar 1988 wurde das Denkmal von Unbekannten umgestürzt. In der Öffentlichkeit gab es seit dem viele Diskussionen über die Sinnhaftigkeit einer Umbenennung der Langemarckstraße. Es waren vor allem Bürger*innen der Neustadt, die sich in der Friedensbewegung engagierten, die den Anstoß zu dieser Diskussion gaben. Der Beirat Neustadt befürwortete ausdrücklich die weitere Verwendung des umgestürzten Denkmals als Antikriegszeichen.
1994 wurde das Denkmal um eine Tafel ergänzt, auf der begründet wurde, das Denkmal im Sinne des Friedens zwischen den Völkern zu begreifen. Es fand sich jedoch keine Mehrheit für die Umbenennung der Straße.
Am 3. Juli 2020 soll das umgestürzte Langemarck-Denkmal, nachdem es zwischenzeitlich an eine andere Stelle verlegt wurde, ergänzt werden durch eine DENKORTE-Stele und der Öffentlichkeit präsentiert werden. Die Stele informiert über die Geschichte und die heutige Bedeutung dieses DENKORTES gegen Kriegsverherrlichung und Aufrüstung.
Zu dieser Veranstaltung kann man sich auf YouTube eine Filmdokumentation anschauen.

Veröffentlicht am und aktualisiert am 5. Februar 2021

Ein Hinweis zu “Mythos Langemarck”

  1. Jürgen Maly sagt:

    Umbenennung der Langemarckstraße in Georg-Else-Straße!

    Unsere Initiative hat es sich zum Ziel gesetzt, das Andenken an Georg Elser zu fördern und aufrechtzuerhalten. Georg Elser „Ich habe den Krieg verhindern wollen“ hat bereits im Jahre 1938 den 2. Weltkrieg kommen sehen und ab November 1938 ein Attentat auf Adolf Hitler geplant. Am 8. November 1939 zündete die von ihm gebaute und platzierte Bombe im Münchener Hofbräukeller. Nur durch Zufall hatte Adolf Hitler diese Veranstaltung früher als geplant verlassen und entging dem Attentat lebend. Georg Elser wurde gefasst und wenige Tage vor Kriegsende im KZ ermordet. Der Tischler Georg Elser ist der einzige bekannte Hitler-Attentäter aus der Arbeiterschaft, der die Grauen des Krieges vorhersah und als einzigen Ausweg die Tötung des Diktators sah.

    Angeregt durch die Diskussionen im Stadtteil und Beratungen im Stadtteilbeirat in den letzten Jahrzehnten und die Entwicklung von Umgestaltungsideen in der Hochschule haben wir die Idee entwickelt, die Langemarckstraße in Georg-Elser-Straße umbenennen zu lassen. Damit könnte ein Zeichen gesetzt werden für die Würdigung eines Menschen, der den 2. Weltkrieg verhindern wollte und große Initiative und Zivilcourage bewiesen hat.

    Unsere Initiative bewertet den Mythos Langemarck u.a. wie folgt:
    • Jeder Krieg fängt mit Kriegsverherrlichung an.
    • Zu jedem Krieg gehören Mythen, so auch gefördert durch die Umbenennung des Straßenzuges der Großen und Kleinen Allee und der Meterstraße in Langemarckstraße am 11. November 1937: „Der Mythos von Langemarck“.
    • Mit kriegsverherrlichenden Mythen muss Schluss gemacht werden.
    • Wir brauchen ein deutliches Zeichen für eine friedliche Gesellschaft, Frieden und Zivilcourage.

    Diese Themen sind heute unter dem Eindruck des Krieges Russlands gegen die Ukraine wichtiger denn je.

    Wir haben zu unserer Idee noch folgende Gedanken und Anmerkungen:
    1. Es gibt den Denkort an der Hochschule, der auch zukünftig an die Gräuel der Schlachten bei Langemarck erinnern wird.
    2. Wenn der Name „Georg-Elser-Straße“ oder vielleicht sogar „Georg-Elser-Allee“ (unter Bezugnahme auf die Hochschul-Ideen zur Begrünung) als Alternative genannt wird, haben wir ein positives Ziel für die Umbenennung. Ein Engagement dafür lohnt sich. Das ist sicher besser als „nur“ zu sagen, wir wollen die Straße umbenennen.
    3. Unsere Initiative kann über mindestens 100.000 € verfügen um notwendige Kosten, die mit der Umbenennung verbunden sind, zu tragen. Diese Kosten, die auf Gewerbetreibende, Privathaushalte usw. zukommen, waren seinerzeit das wesentlichste Gegenargument gegen die Umbenennung, das wir jetzt sicherlich deutlich entkräften könnten.

    Wer Interesse hat, dies tatkräftig zu unterstützen, mailt bitte an post@georg-elser-bremen.de

  2. Vor 30 Jahren, am 5. Januar 1988, wurde das Langemarck-Denkmal vor der Hochschule umgelegt. Das war und ist ein Ausdruck geschichtlichem Verantwortungsbewusstsein. Gott sei Dank! Anstatt den blutigen Heldenmythos der Nazifaschisten weiter zu ertragen, wurde damit gemacht, was sich schon längst gehört hätte: umgekippt, umgelegt, geschmäht.
    Diese gute Tat ist auch in Belgien gern bemerkt worden, das wurde uns von unseren dortigen Kameraden bestätigt. Vor so einem Deutschland braucht sich kein Mensch im Ausland mehr zu fürchten!
    Nun fehlt zur Vollendung des Werkes noch die Tilgung des im Faschismus exekutierten Namens. Bitte los damit!
    (6.Januar 2018)

  3. Roland Kutzki sagt:

    Die Langemarckstraße hieß im Norden zur Weser hin bis Westerstraße Große Allee, dann bis zum Neustadtscontrescarpe Kleine Allee. Aber wie hieß die 1909 bis zur Neuenlander Straße ausgebaute Straße zuvor?

    Hat es bereits eine Initiative gegeben zur Umbennenung der Straße und wenn,ja, wann war das?

    Roland Kutzki

  4. Rieke, Heiko sagt:

    Da sich dieses Jahr der Weltkrieg 1914-18 jährt finden viele Gedenkveranstaltungen in Belgien statt. Es wäre schön, wenn aus diesem Anlass in Bremen die NS-Namensnennung der Langemarckstr. endlich rückgängig gemacht würde und wir uns damit von dieser Propagandaaktion der Nazis distanzieren könnten, statt sie vor unserer Hochschule weiterhin zu tolerieren. Im übrigen war ja schon der Langemarck-Mythos eine Propaganda-Lüge der damaligen Obersten Heeresleitung, weil der Versuch die nordbelgische Front mit allen Mitteln und dabei auch unter Einsatz schlecht ausgebildeter Jugendlicher blutigst fehlgeschlagen war.

  5. Ne Meinung sagt:

    gibt es keine interessante Fakten über die Zeit 39-45 zu melden auf dem Schild in der Langemarckstrasse? wieso ist diese Periode überhaupt nicht vermeldet und nur 1937? gibt es dafür einen Grund? Geschichte ist eben Geschichte und sollte vermeldet werden?

    1. Nils P. sagt:

      Genau, Geschichte ist Geschichte. und dieser sollten wir uns verantwortungsbewusst stellen. So wie es mit dem Denkmal geschehen ist, so kann es meiner Meinung nach auch mit dem dem Straßennamen Langemarckstr. funktionieren. Nicht „weg tilgen“, sondern erinnern, an das was nie wieder passieren darf. Ich finde es zu rational gedacht. Demnach wäre es wohl auch nicht verkehrt gewesen das Denkmal vielleicht doch/auch zu entfernen (?) Die Gelder die dafür aufgewendet werden, sollten in die mahnende Erinnerungskultur fließen sowie an die, die von Krieg betroffen sind. Für mich ist die Aktion einer Straßenumbenennung so wie sie begründet wird nicht nachvollziehbar. Dies ist ein Denkanstoß für eine weitere Betrachtungsweise dazu.

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