Charles Gerber: Antifaschist in Polizeidienst

Charles Gerber (Quelle Staatsarchiv Bremen)
Charles Gerber (Quelle Staatsarchiv Bremen)
Ausweis Charles Gerber (Quelle Staatsarchiv Bremen)
Ausweis Charles Gerber (Quelle Staatsarchiv Bremen)
Gerber Bunker Admiralstr
Gerber Bunker Admiralstr
20. Februar 1935
Scheffelstraße (in Höhe ehemals Nr. 22) 22, Bremen-Walle

In der Bremer Admiralstraße steht ein Hochbunker aus der Zeit des NS-Regimes. Dort entstand unter der Leitung der Professoren Jürgen Waller und Eckhard Jung ein monumentales Wandbild mit dem Titel „Es erinnert an die Gegner und Opfer des Faschismus„. Seitlich und unterhalb des Bildes stehen die Namen von Menschen, die aus politischen Gründen von den Nazis verfolgt, misshandelt und inhaftiert waren. Viele fanden den Tod, wenige überlebten. Einer der Überlebenden war Charles Gerber.

Hinrich Charles Gerber wurde am 24. Februar 1904 im Haus seiner Großeltern in Bremen-Woltmershausen geboren. Seine Mutter war die unverheiratete Fabrikarbeiterin Meta Mathilde Reiners. Als diese drei Jahre später in 1907 die Ehe mit dem Elektrotechniker Hermann Julius Carl Gerber einging, anerkannte er nachträglich den gemeinsam gezeugten Sohn.

Charles Gerber verbrachte seine Kindheit im Stephani-Viertel. Nach der achten Klasse verließ er die Schule. Mit seiner abgeschlossenen kaufmännischen Ausbildung fand er Anfang der 1920er Jahre zunächst noch Anstellungen, doch Inflation und Wirtschaftskrise führten immer wieder zu betriebsbedingten Kündigungen. Teilweise hielt er sich mit Gelegenheitsjob über Wasser, bis er ab 1930 endgültig arbeitslos wurde. 1929 schloss er sich der KPD an und engagierte sich in der Roten Hilfe.

Bald nach der Machtübernahme der NSDAP Ende Januar 1933 wurden politische Gegner des Regimes verhaftet. Weil die Bremer Gefängnisse nicht alle Gefangenen aufnehmen konnten, wurde Ende März 1933 in Findorff das provisorische Konzentrationslager Mißler errichtet. In „Schutzhaft“ genommene Sozialdemokraten und Kommunisten wurden hier gefoltert und misshandelt. Charles Gerber war einer von ihnen. Zu den Einschüchterungsmaßnahmen gehörten unter anderem „verordneter Sport“, wie ein Zeitzeuge berichtete, der sportlich Ungeübte weit über ihre körperlichen Grenzen belastete. SS-Wachmännern malträtierten Charles Gerber mit Schlägen, die vermutlich zu einem bleibenden Seh- und Hörschaden führten. Die Maßnahmen, die der politischen Umerziehung galten, zeigten bei Charles Gerber nicht den gewünschten Erfolg, er arbeitete nach seiner Entlassung am 04. August 1933 weiterhin für die wegen des herrschenden Parteienverbots illegale KPD.

Wegen des Verdachts auf „Vorbereitungen zum Hochverrat“ verhaftete die Gestapo ihn Anfang 1934, vermutlich nach einer Denunziation. Er verbrachte mehrere kürzere Haftzeiten in der Ostertorwache, bis er am 20. Februar 1935 vor dem Hamburger Oberlandesgericht zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Während er seine Haftstrafe im Gefängnis Vechta absaß, übernahm er die Funktion eines Kalfaktors (Hilfskraft, der Hilfsdienste für die Vollzugsbediensteten leistet)

Mit seiner Entlassung am 21. November 1936 wurde Gerber zum Arbeitsdienst am Westwall verpflichtet, der vor Kriegsbeginn entlang der Grenze zu den westlichen Nachbarstaaten des Deutschen Reiches verlief. 1939 wurde er Vorarbeiter einer Bremer Spirituosenfabrik. Den Einberufungsbescheid zur Marine erhielt er 1942.

Charles Gerber hatte 1931 Gretchen Anna (geb. Buhlrich) geheiratet. Sie kam während der Haftzeiten ihres Mannes mit dem gemeinsamen Sohn (geb. 1934) finanziell kaum über die Runden und sah sich gezwungen auf vorhandene Rücklagen zuzugreifen. Familiäre Unterstützung war ihr in dieser Zeit dennoch sicher, sie lebte seit ihrer Heirat gemeinsam mit ihren beiden Brüdern in dem Haus Scheffelstraße 22 in Walle. Während eines Luftangriffs im Sommer 1944 wurde das Haus total zerstört. Ihr zweiter Sohn kam um die gleiche Zeit zur Welt. Gretchen wurde daraufhin mit den Kindern nach Cloppenburg zwangsevakuiert.

Charles Gerber kam zu einem nicht bekannten Zeitpunkt in Kriegsgefangenschaft, wurde bald nach Kriegsende entlassen und erhielt bereits im August 1945 die Anerkennung als politisch Verfolgter des NS-Regimes. Er fand übergangsweise eine Beschäftigung als Sachbearbeiter im öffentlichen Dienst. Der in Bremen kriegsbedingte Wohnraummangel erschwerte Gerber eine Unterkunft zu finden, bis er endlich eine Dreizimmerwohnung in der Keplerstraße 12 (Ostertor) zugewiesen bekam. Weil der vorherige Bewohner als NS-Aktivist bekannt war, musste dieser, unter Zurücklassung seiner Möbel, die Wohnung verlassen. Jetzt endlich konnte Charles Gerber seine Frau und Kinder wieder nach Bremen holen.

Ab März 1946 erhielt er eine Anstellung als Kriminal-Sekretär. Obgleich er für eine derartige Tätigkeit keinerlei Berufserfahrung vorzuweisen hatte, wurde er verbeamteter Polizist beim Ermittlungsdienst der Kripo. Es ist nicht auszuschließen, dass seine antifaschistische Haltung dies möglich machte, obwohl im Staats- und Polizeiapparat immer noch viele beschäftigt waren, die zuvor unter dem NS-Regime gedient hatten. Charles Gerber starb am 29.08.1960 im Alter von 56 Jahren.

Quellen Text und Bilder: StA Bremen 4,54-E89, Personenstandsregister 4.60/5

Veröffentlicht am und aktualisiert am 23. Juni 2025

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