Erich Ukrow, der ver­folg­te Flie­ßen­pres­ser

Erich Ukrow
6. No­vem­ber 1936
Tur­ner­stra­ße 46, Bre­men-Blu­men­thal

Der ge­lern­te Flie­ßen­pres­ser Erich Ukrow (1896-1965) stamm­te ur­sprüng­lich aus ei­ner Ar­bei­ter­fa­mi­lie in Herms­dorf/​Bran­den­burg. Im Ers­ten Welt­krieg mel­det er sich als Kriegs­frei­wil­li­ger. Als Ge­frei­ter er­lei­det er an der West-Front eine Gas­ver­gif­tung. 1918 wird er aus dem Heer ent­las­sen, schließt sich je­doch an­schlie­ßend für kur­ze Zeit ei­nem Frei­korps im Bal­ti­kum an, das in Lett­land und Li­tau­en ak­tiv ist.

Nach dem Krieg zieht er An­fang der zwan­zi­ger Jah­re nach Rön­ne­beck/​Blu­men­thal, an­schlie­ßend nach Far­ge. Bei­de Orts­tei­le ge­hör­ten da­mals noch nicht zu Bre­men, son­dern zu Preu­ßen. In Blu­men­thal hei­ra­tet er am 30. De­zem­ber 1922 Mat­hil­de Oh­len­dorf. Sei­ne am 2. April 1920 in Fin­ken­wal­de ge­bo­re­ne un­ehe­li­che Toch­ter Emma aus ei­ner Be­zie­hung mit Ma­rie Be­cken holt Ukrow nach der Hei­rat zu sich nach Far­ge. Sie er­hält 1929 sei­nen Na­men.

Erich Ukrow fin­det in Blu­men­thal Ar­beit, u. a. bei der Bre­mer Woll­käm­me­rei, spä­ter beim tra­di­ti­ons­rei­chen Stein­gut­werk in Far­ge. 1925 tritt er, der schon seit 1912 Ge­werk­schafts­mit­glied ist, nach ei­ge­nen An­ga­ben in sei­nem spä­te­ren Ent­schä­di­gungs­an­trag, in die KPD ein. Au­ßer­dem ist er Mit­glied im Rot­front­kämp­fer­bund und in der Ro­ten Hil­fe. 1930 er­hält die KPD-Lis­te bei den Be­triebs­rats­wah­len bei der Bre­mer Woll­käm­me­rei auf An­hieb 38,7 %. Alle Or­ga­ni­sa­tio­nen wer­den nach der Macht­er­grei­fung durch die Na­tio­nal­so­zia­lis­ten ver­bo­ten, ihre Mit­glie­der ver­folgt und ver­haf­tet.

Wahr­schein­lich aus tak­ti­schen Grün­den tritt Ukrow nach der Macht­er­grei­fung der Deut­schen Ar­bei­ter­front bei. Ir­gend­wie ge­lingt es ihm bis zum 6. No­vem­ber 1936 un­ter dem Ra­dar der Ge­sta­po zu blei­ben. An dem Tag wird er auf Grund ei­ner De­nun­zia­ti­on we­gen Vor­be­rei­tung zum Hoch­ver­rat ver­haf­tet. Bis zum 1. Juli 1937 hält man ihn in Les­um in Un­ter­su­chungs­haft, an­schlie­ßend bis zum 8. Au­gust 1937 im Un­ter­su­chungs­ge­fäng­nis in Bre­men fest. Sein Pro­zess fin­det am 5. und 6. Au­gust in Bre­men statt. Mit ihm ste­hen wei­te­re fünf Män­ner und Frau­en vor Ge­richt. Ukrow er­hält 15 Mo­na­te Haft we­gen il­le­ga­ler Be­tä­ti­gung zur Wie­der­er­rich­tung der KPD. Kon­kret wird ihm vor­ge­wor­fen, ab 1934 die Zeit­schrift „Rote Fah­ne“ ver­teilt zu ha­ben, Geld für die ver­bo­te­ne „Rote Hil­fe“ ge­spen­det zu ha­ben und il­le­gal den „Mos­kau­sen­der“ ab­ge­hört zu ha­ben. Sei­ne Stra­fe ver­büßt er in der Straf­an­stalt Ve­ch­ta. Dort wird er am 8. Fe­bru­ar 1938 ent­las­sen, wo­bei ihm sei­ne Un­ter­su­chungs­haft bei der Stra­fe an­ge­rech­net wur­de.

Zu­rück in Far­ge steht er un­ter Po­li­zei­kon­trol­le und muss sich dort jede Wo­che bei der Wa­che mel­den. Bei Aus­bruch des Zwei­ten Welt­krie­ges nimmt er auf Grund ei­ner „Dienst­ver­pflich­tung“, die sich aus sei­nem Pro­zess er­ge­ben hat, eine Be­schäf­ti­gung beim Bre­mer Vul­kan auf. Sei­ne Tochter Emma die wäh­rend der haft­be­ding­ten Ab­we­sen­heit ih­res Va­ters zu­erst bei der Stief­mut­ter in Far­ge ge­blie­ben ist, dann in eine ei­ge­ne Woh­nung um­zog, wur­de im glei­chen Jahr vom Amts­ge­richt Blu­men­thal ins Frau­en­er­zie­hungs­heim „Him­melst­hür“ in Hil­des­heim über­wie­sen. An­fang 1942 wird sie ver­haf­tet und am 9. Mai 1942 als sog. „Aso­zia­le“ in das KZ Ra­vens­brück über­stellt. Va­ter Erich Ukrow kann sei­ne Toch­ter nicht hel­fen, muss nach sei­ner Ent­las­sung aus der Haft zu se­hen, wie er das Haus­halts­geld zu­sam­men be­kommt. Bei­de wer­den ihre Ver­fol­gung und Haft über­le­ben, wenn­gleich kör­per­lich und see­lisch schwer ge­zeich­net.

Nach der Zer­schla­gung des NS-Re­gimes tritt Erich Ukrow der neu ge­grün­de­ten KPD bei. Sei­ne Toch­ter Emma zieht nach ih­rer Be­frei­ung aus Ra­vens­brück zu­erst wie­der zur Fa­mi­lie nach Far­ge. 1949 er­hält Erich Ukrow als NS-Ver­folg­ter vom Amt für Wie­der­gut­ma­chung in Bre­men eine Haft­ent­schä­di­gung.

Zu­letzt war Erich Ukrow, der sich An­fang 1956 von sei­ner Frau Mat­hil­de ge­trennt hat, wohn­haft in Hin­neck/​Os­ter­holz-Scharm­beck. Dort ist er am 30. Juli 1965 ge­stor­ben. Sei­ne Toch­ter war be­reits vor ihm am 18. Mai 1964 in Bre­men ge­stor­ben.

 

Veröffentlicht am und aktualisiert am 29. November 2022

Kom­men­tie­ren Sie den Bei­trag

Ihre E-Mail-Adres­se wird nicht ver­öf­fent­licht. Er­for­der­li­che Fel­der sind mar­kiert *

*

Zeitauswahl
  • 1933
  • 35
  • 37
  • 39
  • 41
  • 43
  • 1945
1940 - 1944
19401944
Themen
  • Arbeitslager
  • Ereignis
  • Jugend
  • Nazi-Organisation
  • Person
  • Verfolgung
  • Widerstand
  • Alle Kategorien aktivieren
Stadtteil