Arbeitslager des Sozialgewerks Bremer Handwerker

Das Bild zeigt eine Luftaufnahme des Lagers von 1951
Luftaufnahme des Lagers von 1951
Barackenlager Achterstraße Fam.Rodowski 1945 001
1. April 1944
Riensberger Straße/Achterstraße, Bremen-Hor

1942 wurde vom Sozial-Gewerk Bremer Handwerker auf einer Fläche von 3 ha (ca. 90m x 300m) ein Arbeitslager errichtet. Der Eingang befand sich an der Riensberger Straße in Höhe des heutigen Magdalene-Timme-Wegs. Im Norden wurde es durch die kleine Wümme begrenzt, nach Westen zog es sich über das Gelände der heutigen Recycling-Station Horn bis zum Bahnübergang Achterstraße.

Auf dem Gelände befanden sich 10 Mannschaftsbaracken, 2 Wirtschaftsbaracken, 4 Klosettbaracken. 2 Waschbaracken sowie je eine Geräte-, Führer- und Sanitätsbaracke. Um die Arbeitskräfte vor Luftangriffen zu schützen, waren 4 notdürftige Splittergräben angelegt worden. Zahlreiche – vor allem am Rand des Grundstücks – Lichtmasten erhellten das Lager in der Dunkelheit. Die Mannschaftsbaracken waren ca. 8m breit und 35m lang. Jedes Segment (Raum) hatte eine Breite von 6,6 m. Das ergab in der Summe 50 Räume.

In dem für 500 Zwangsarbeiter geplanten Lager sollten bis zu 800 Menschen untergebracht werden. In der Spitze sind jedoch bis zu 1.000 Menschen in den Baracken untergebracht worden. Das bedeutet, dass in einem Raum von ca. 50 m² bis zu 20 Zwangsarbeiter untergebracht wurden.

Das Bremer Sozial-Gewerk plante das Lager mit Zwangsarbeitern zu belegen, die in den besetzten Gebieten „angeworben“ werden sollten, um sie in Bremer Handwerksbetrieben und auf Bauernhöfen einzusetzen. Vorrangig wurden die Baracken jedoch mit Arbeitskräften belegt, die in kriegsnotwendigen Betrieben arbeiteten (Rüstungsindustrie, Trümmerbeseitigung/Baugewerbe Versorgung). Unter anderem arbeiteten die Zwangsarbeiter bei den Borgward-Werken, bei Focke-Wulff, der AG Schiffbau, sowie den Firmen Schellhaas, Cordes u. Sluiter, Lloyd Dynamo und Engelhardt u. Förster.

Die Lagerinsassen wurden mit vergitterten Sonderzügen der Bremer Straßenbahn in geschlossenen Gruppen von der Endstation Horn zu ihren Arbeitsstellen gefahren. Mit fortschreitender Zerstörung von Wohnraum im Verlauf der Luftangriffe wurden auch Fremdarbeiter, die in Privatunterkünften wohnten in das Lager umgesiedelt, um den freiwerdenden Wohnraum ausgebombten Bremern zur Verfügung zu stellen.

Gegen Kriegsende plante die SS im Bedrohungsfall die Zwangsarbeiter zu verlegen. In der sich schnell zuspitzenden Situation wurde der Plan aufgrund fehlender Logistik und fehlender personeller Ressourcen nicht mehr umgesetzt. Im April 1945 erreichten die britischen Truppen auf ihrem Vormarsch in Richtung des Bürgerparks das Arbeitslager.

Nach Kriegsende wurde das Lager von den amerikanischen Truppen beschlagnahmt und genutzt. In den Wohnbaracken wurden Flüchtlinge und auch Bremer Familien, die durch Luftangriffe obdachlos geworden waren, untergebracht.

Zu ihnen gehörte die Familie Rodowski aus Walle. Die Familie wurde dreimal ausgebombt. Nachdem sie deshalb zweimal weit weg von Bremen (Odenwald und Umgebung von Osnabrück) untergebracht worden waren, wurde ihnen von den Amerikanern 1945 ein einzelnes Zimmer in der Holzbaracke Nr. 10 im ehem. Zwangsarbeiterlager zugewiesen. Dort zog die 6-köpfige Familie, bestehend aus Eltern und vier Kindern, sowie die Großmutter, ein. Das Zimmer hatte keine Heizung, gekocht werden musste auf ein offenes Feuer draußen vor der Baracke. Im gleichen Jahr wurde der älteste Sohn Friedrich mit 10 Jahren zum ersten Mal in seinem Leben eingeschult. 1947 durfte die Familie innerhalb des Lagers in die renovierte Baracke Nr. 4 umziehen, wo sie noch bis Anfang 1949 lebte. Danach zog sie um in ein anderes Lager an der Osterholzer Heerstraße, das während der NS-Zeit ebenfalls für die Unterbringung von Kriegsgefangenen gebaut, aber bedingt durch das Kriegsende nicht mehr belegt wurde. In diesen Klinkerhäusern lebte die Familie noch bis 1957, als ihnen eine Wohnung in der Gartenstadt Vahr vermietet wurde.

Bis zur Räumung und Aufgabe des Lagers war die Unterkunft wegen der mangelnden Hygienestandards und der sozialen Konflikte immer wieder im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Die endgültige Räumung des Lagers erfolgte 1962, nachdem sich die Wohnungslage in Bremen entspannt hatte. Zahlreiche der zuletzt verbliebenen Einwohner zogen in die neu errichteten Wohnungen in der Heinrich-Geffken-Straße.

Michael Koppel
(www.chronik-horn-lehe.de)

Quellen: Staatsarchiv Bremen

Veröffentlicht am und aktualisiert am 11. August 2025

Ein Hinweis zu “Arbeitslager des Sozialgewerks Bremer Handwerker”

  1. Ich habe in der Baracke10 und 4 mit meine Eltern und 3 Geschwistern ab mitte 1945 bis 1949 gewohnt.

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