Widerstandskämpfer Richard Förster erhält keine Wiedergutmachung

10. Juli 1933
Liegnitzstraße 39, Bremen

Der Drechsler Richard Förster, geboren  20.02.1887 in Altschau/Oder, kam 1913 nach Bremen, um als Modelltischler auf der A.G. Weser zu arbeiten. 1914 hat er die gebürtige Bremerin Sophie Bormann geheiratet. Das Ehepaar besaß ein Dreifamilienhaus in der Liegnitzstraße 39, blieb aber kinderlos. Richard Förster war zunächst SPD-Mitglied, trat dann aber 1919 in die KPD ein. Er war ein glühender Anhänger der kommunistischen Ideen, weswegen er sich in den 1920er Jahren zeitweilig in Russland aufhielt. Zeugen im späteren Prozess gegen ihn sprachen von ihm als einem Idealisten und wahrhaften Menschen, der gegenüber Vertretern anderer Ansicht und Überzeugung durchaus tolerant war; sie stellten ihm einen guten Leumund aus.

Am 10. Juli 1932 führte die SA einen Großaufmarsch in Café Flora durch. Junge Kommunisten sammelten sich an der Grambker Bahnüberführung, um sich gegen eventuelle Übergriffe der SA zur Wehr zu setzen. Die Furcht vor politischem Mord war allerdings zu Ende der Weimarer Republik nicht völlig unbegründet. Schon vor der Einsetzung der Partei Hitlers an die Macht wurde nicht nur die Arbeiterbewegung, sondern darüber hinaus jegliche demokratische Haltung blutig verfolgt. Richard Förster fertigte Sprengkörper, die notfalls auf durchfahrende LKWs geworfen werden sollten. Elf vollbesetzte LKWs unterquerten die Bahnbrücke, ohne dass Bomben geworfen wurde. Die gut informierte Polizei versuchte die Sprengkörper sicherzustellen. Ohne die lauten Warnrufe zu beachten, hob Polizeiobermeister Talle einen Sprengkörper auf und wurde dabei völlig zerfetzt. Sein Kollege erlitt durch Bombensplitter Verletzungen am Unterschenkel. Förster, der dabei nicht anwesend war, war davon zutiefst erschüttert. Wegen der Herstellung von Sprengkörpern wurde er am 10.11.1932 zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt, die er in Oslebshausen einsaß. Unmittelbar nach Ablauf der Strafe wurde er am 10. Juli 1940 im Zimmer des Zuchthausdirektors von der Gestapo abgeholt, in die Ostertorwache gebracht und nach Rücksprache in Berlin auf Weisung der Gestapozentrale ins KZ Mauthausen verschleppt. Er sei nicht bereit von seiner kommunistischen Überzeugung abzugehen, hieß es. Eine weitere Verwahrung nach Strafverbüßung hielt die Gestapo für dringend erforderlich. Nach acht Wochen war er tot, nach Aussagen eines Mithäftlings starb er wegen völliger körperlicher Erschöpfung an Herzversagen.
Seine Witwe Sophie stellte 1947 einen Wiedergutmachungsantrag. April 1956 wurde er vom Hanseatischen Oberlandesgericht in Bremen mit der Begründung abgelehnt, „die Verbringung in das Konzentrationslager habe vielmehr die in jedem Rechtsstaat in Kriegszeiten übliche Vorbeugehaft gegen einen Sprengstoffattentäter bedeutet.“ Ausgerechnet der Bremer Gestapoverhörspezialist Herrlein sollte die Anständigkeit und moralische Integrität von Richard Förster bewerten. Richard Förster wurde ermordet, weil er aus Überzeugung gegen die NS-Diktatur stand. Ein Stolperstein in der Liegnitzstraße 39 dokumentiert das Unrecht seiner Ermordung in Mauthausen. Es soll zugleich seiner Witwe Sophie ein Stück ihrer Würde zurückgeben, die das schmähliche Verhalten der Wiedergutmachungsbehörden ihr nach dem Krieg zu nehmen versuchten.

Verfasser: Raimund Gäbelein/Barbara Ebeling (2011) Informationsquellen: Staatsarchiv Bremen,  Akte 4, 54-E375 Raimund Gäbelein: „Zwei Stolpersteine in Gröpelingen“ in: „Der Bremer Antifaschist“, September 2009 Willy Hundertmark/Jakob Pfarr (Hrsg.): „Antifaschistischer Widerstand 1933-1945 in Bremen“, Bremen 1974

Veröffentlicht am und aktualisiert am 29. November 2022

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