Liebesgrüße aus der Ukraine – Kriegsgefangenen suchen Schutz in einem Erdbunker

19. Februar 1945
Rathausplatz 1, Bremen-Hemelingen

In einem Erdbunker in Hemelingen, der über Jahrzehnte verschlossen und vergessen war, finden sich Inschriften ukrainischer Kriegsgefangener. Es sind Texte aus dem Poesiealbum – „Ein Vergissmeinnicht, ein blaues, hat ein Engel vom Himmel fallen lassen, damit ich meine Liebste bis zum Grab nicht vergesse“.

Ein Erdbunker am „Adolf-Hitler-Platz“ (jetzt Rathausplatz) am Hemelinger Rathaus in Bremen. Die Benutzung des 35 Quadratmeter großen Raumes war für die Zivilbevölkerung verboten, weil mehrere dieser Bunker bereits eingestürzt waren. Trotzdem ist er benutzt worden, vermutlich von Zwangsarbeitern aus der Ukraine. Nach dem Krieg wurde der Bunker verschlossen, verschüttet und geriet in Vergessenheit. Im Dezember 2012 wurde er wiederentdeckt und geöffnet. Mehrere Inschriften blieben fast unversehrt. Einer lautet: „19-2-45 Hier waren Kriegsgefangene G.S. u. W.F.“

Im Dezember 2012 wurde der Bunker am Hemelinger Rathaus wiederentdeckt und geöffnet.
 Im Dezember 2012 wurde der Bunker am Hemelinger Rathaus wiederentdeckt und geöffnet.

 

Ты хочешь знать, кого люблю я?
Его нетрудно угадать –
Будь повнимательней, читая,
Ясней я не могу сказать.

Du willst wissen, wen ich liebe?
Es ist nicht schwer zu erraten —
Sei aufmerksamer, wenn du liest,
Klarer kann ich es nicht sagen.

Die Anfangsbuchstaben der vier Zeilen ergeben das Wort „tebja“ – „dich“.

 


 

Diese Wandbeschriftungen sind russische Akrostichons, also eine Versform, bei der die Anfangsbuchstaben hintereinander gelesen, einen Sinn ergeben. Die ersten zwei dieser Gedichte gehören zum Genre der Poesiealbumverse, wie sie im vorrevolutionären Russland unter den Gymnasiasten ausgetauscht wurden. Der dritte ist obszönen Inhalts. Die Anfangsbuchstaben der Zeilen sind unterstrichen.

An den Wänden wurden Inschriften von ukrainischen Kriegsgefangenen entdeckt. 
An den Wänden wurden Inschriften von ukrainischen Kriegsgefangenen entdeckt.

Незабудку голубую
Ангел с неба уронил
Для того, чтоб дорогую
Я до гроба не забыл.

Ein Vergissmeinnicht, ein blaues,
Hat ein Engel vom Himmel fallen lassen
Damit ich meine Liebste
Bis zum Grab nicht vergesse.

Die Anfangsbuchstaben ergeben den Vornamen „Nadja“ (Nadeschda – auch: die Hoffnung).

 


 

Жасмин хорошенький цветочек
Он пахнет очень хорошо
Понюхай миленький дружочек
А в руки не бери его.

Jasmin ist ein hübsches Blümchen
Es duftet sehr gut,
Rieche an ihm, liebstes Freundchen
Doch nimm es nicht in die Hand.

Die Anfangsbuchstaben ergeben das Wort „schopa“ — „Arsch“.

 

Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel wurde freundlicherweise von Radio Bremen zur Verfügung gestellt.

Veröffentlicht am und aktualisiert am 6. Oktober 2017

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