Zwangsarbeiterlager in der Neustadt

7. Juni 1943
Grünenstraße 28, Bremen

An der Ecke Grünenstraße/Häschenstraße* befinden sich in der Bremer Neustadt ein Tiefbunker und daneben eine Garage. Während des Kriegs befand sich an dieser Stelle ein Gebäude, das am 18.01.1942 dem Bremer Senat von der Firma KSB (KleinSchanzlin – Bestenbostel GmbH) zur Unterbringung von Arbeitskräften übergeben wurde.

In dem Gebäude waren Waschräume, Duschen, eine Kaffeeküche und große Räume vorhanden. Geplant war es als Nutzung für „auswärtige Handwerker des Reichssondereinsatzes für Fliegerschäden“ so geht es aus einer Aktennotiz vom 07.06.1943 hervor. Darin heisst es außerdem „die zur Verfügung gestellten Räume sind inzwischen als Lager ausgebaut“. Und weiter „ es ist geplant, die Beschlagnahme eines Raumes für die Ostarbeiterinnen (Reinigungskraft) zu beantragen“. Dabei ging es um einen Schlafraum von 18 m². Diese „Ostarbeiterinnen“, wie sie von den Nazis genannt wurden, waren Zwangsarbeiterinnen, die brutal aus ihren Heimatländern in Osteuropa nach Deutschland verschleppt worden waren, um hier die Arbeit von Männern zu übernehmen, die als Soldaten an der Front zusammen gezogen worden waren.
Das „Arbeitslager“ war laut einer Liste des Bremer  Bausenators von 1943 als DAF–Lager ausgewiesen ist und wird darin als „Lager Häschenstraße (Bestenbostel) “ bezeichnet. Laut Liste waren darin 100 – 200 Menschen untergebracht . Der Liste ist außerdem zu entnehmen, dass die dort untergebrachten Personen in der Maschinenfabrik eingesetzt waren. Gegenüber vom Lager befand sich in der Grünenstraße die Maschinenbaufirma „Bestenbostel“, die bereits vor dem Krieg in KSB übergegangen war. KSB stellte Dampfmaschinen und Kupolöfen her, das sind Schmelzöfen zur Herstellung von Gusseisen. Die Fabrik wurde wahrscheinlich am 18.08.1944 durch einen flächendeckenden wirksamen britischen Luftangriff zerstört.

Im Bremer Staatsarchiv befinden sich zwei „Belegschaftsstärkebescheinigungen Gemeinschaftslager Häschenstraße 28 – 30“, die  unterzeichnet sind vom Lagerführer Cramm (oder Cramms). Darin heisst es, dass sich in August 1943 im Lager 98 und in September 95 in- und ausländische Arbeiter befanden. Zumindest bei den ausländischen Arbeitern ist davon auszugehen, dass es sich hierbei ebenfalls um Zwangsarbeiter gehandelt hat. Ihre Nationalität ist nicht bekannt.
In einer weiteren noch erhaltenen Aktennotiz berichtet Cramm  über einen Totalschaden am Lager durch den Luftangrif vom 06.10.1944,  der die Bremer Innenstadt weitgehend in Schutt und Asche legte. Eine detaillierte Inventarliste zählt 186 Betten und 188 Matrazen auf sowie u.a. 98 Arbeitshosen, die beim Bombenangriff verbrannt sind. Mehr ist darüber nicht zu erfahren. Wo blieben die Arbeiter/innen? Wo wurden sie hin verlagert? Wurden sie möglicherweise zusammen gelegt mit den Gefangenen eines zweiten Lagers, das sich in der Nähe, neben der Brauerei Haake Beck, Am Deich 49, befand. Dies war ein Lager des StaLag XC Nienburg und war mit 115 Gefangenen belegt, die als Brauereiarbeiter arbeiteten.

Nach dem Krieg wurde die Firma KSB wieder aufgebaut und spezialisierte sich auf Pumpentechnik. Ein Umbau des als Zivilschutz-Mehrzweckanlage geführten Tiefbunkers erfolgte 1972. Teilweise wurde sie auch als Tiefgarage genutzt. Erbaut von der Kaffeefirma Jacobs gehörte die Anlage danach zum Konzern Kraft-Jacobs-Suchard , jetzt Mondelez. Die Anlage ist in ordnungsgemäßem Bauzustand, ist nicht öffentlich zugänglich und wird als Zivilschutz-Mehrzweckanlage in Reserve gehalten. Die Ausstattung ist im Zivilschutz Magazin 14 aus dem Jahr 1972 beschrieben. Sie umfasst eine Zutrittsschleuse, Lüftungsanlagen mit Filter, eine KFZ-Rampe, Ölvorratstank, Notstromanlage, Wasch- und Toilettenräume.

(*Häschenstraße: benannt ist diese Straße nach  dem niederdeutschen Frauennamen „Häsche“ = Hedwig, hat also nichts mit kleinen Hasen zu tun.)

Veröffentlicht am und aktualisiert am 27. März 2014

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