Frieda Gottwald und Rudolf Schmidt, verfolgte Sinti

Frieda Gottwald
Frieda Gottwald Rudolf Schmidt
1. Juni 1937
Buntentorsteinweg 71, Bremen-Neustadt

Frieda Gottwald lebte 1935 mit ihren Eltern in Tilsit (Ostpreußen, in der Nähe von Königsberg). Ihre Eltern hatten einen Wanderzirkus mit dem sie West- und Ostpreußen bereisten. In dem Betrieb ihrer Eltern arbeitete sie als Artistin (Seiltänzerin). Ihre Mutter hieß Therese Blum. Frieda hatte zwei Brüder (Eduard Blum und Johann Balke) und eine Schwester (Emma, geb. Balke, verh. mit Dombrowski, einem Bruder ihres Mannes). 1936 erhielt die Familie Spielverbot. 1937 wurde die Familie, wie alle Tilsiter Sinti und Roma-Familien, zwangsweise in ein Barackenlager in der Splittastraße gebracht. Insgesamt sollen sich ca. 20 Familien dort aufgehalten haben. Zwar durften sie sich in der Stadt frei bewegen, aber sie durften die Stadt nicht verlassen. Außerdem gab es „Beschränkungen […] im Kinobesuch, Benutzen der Straßenbahn, Bürgersteige usw.“

Im Januar 1942 wurde ein Transport zusammengestellt. Ihnen sei erzählt worden, sie kämen in die Ukraine, zum „Aufbau bezw. Siedeln“. Außer Handgepäck mussten sie alles zurücklassen. Der Transport endete jedoch in der Festung in Białystok und in einem Arbeitsraum eingepfercht mit insgesamt 115 Frauen und Kinder. Die Männer waren von ihnen getrennt worden. Die erste Zeit mussten die Frauen und Kinder auf dem blanken Zementboden schlafen. Die Aborteimer liefen häufig über und der Inhalt gefror auf dem Boden. Frieda Gottwald blieb hier neun Monate. Nach einigen Monaten erhielten sie täglich eine Freistunde, „in der wir uns unter Aufsicht im Hof bewegen konnten.“ In dieser Zeit starben ihre Eltern und ihr Kind (geboren 1941) an Hunger.

Vermutlich im September 1942 kam sie nach Brest-Litowsk ins Ghetto. Hier mussten sie Laufgräben ausheben, auch große Gruben, „wo die erschossenen Juden verscharrt wurden.“ Am 16. April 1944 wurde sie ins „Zigeunerfamilienlager“ in Auschwitz-Birkenau deportiert. Sie erhielt die Nummer 10.295 in den Unterarm eintätowiert. In Auschwitz lebte sie mit ihrem Mann Dombrowski zusammen. Er sorgte dafür, dass sie auf einen Transport kam, „weil ich sonst verbrannt worden wäre.“ Es folgten die Konzentrationslager Ravensbrück und Bergen-Belsen, wo Frieda Gottwald im Mai 1945 befreit wurde.

Am 9. Dezember 1993 starb Frieda Gottwald in Bremen und wurde auf dem Friedhof Buntentor beerdigt.

Der Lebenspartner von Frieda Gottwald war Rudolf Schmidt. Rudolf Schmidt hatte seit 1920 in Breslau-Scheidnig gelebt. Sein Vater Karl fiel 1914 im I. Weltkrieg. 1933 heiratete er, er hatte vier Kinder. 1939 war er zunächst zur Wehrmacht eingezogen worden, aus der er vermutlich 1941 entlassen wurde. Der Grund: er sei „Zigeuner“ gewesen.

Den Deportationen im März 1943 nach Auschwitz-Birkenau entging Rudolf Schmidt, 1944 jedoch sollte er im Allerheiligen-Hospital in Breslau, in dem auch an Angehörigen der Familie Petermann Eingriffe vorgenommen wurden, zwangssterilisiert werden. Seine Eltern und drei Geschwister befanden sich zu diesem Zeitpunkt bereits in dem so genannten „Zigeunerfamilienlager“ in Auschwitz-Birkenau. Er war der Deportation vermutlich durch seine Heirat entgangen. Zuständig war in Breslau ein Kriminalsekretär Brauer.

Nach dem Ende des II. Weltkriegs wurde er „von den Polen ausgewiesen“ und kam über Hamburg nach Bremen. Er starb am 1. März 1994 in Bremen und wurde ebenfalls auf dem Friedhof Buntentor beerdigt.

Quelle: Hes­se, Hans, Fried­hof Bun­ten­tor. Denk­mä­ler der Zu­kunft. Grä­ber ns-ver­folg­ter Sin­ti und Roma auf dem Bun­ten­tor­fried­hof, Bre­men 2022

Bild: Staatsarchiv Bremen

Veröffentlicht am und aktualisiert am 21. Dezember 2022

Ein Hinweis zu “Frieda Gottwald und Rudolf Schmidt, verfolgte Sinti”

  1. Raderschadt sagt:

    Habe auch die beiden Brüder der Oma vergessen, Johann und Eduard. Mittlerweile sind wir ganz viele Personen und die Familie wird immer größer. Aktuell verfolge ich das Thema Aiwanger bei uns in Bayern, was mir sehr im Magen liegt und für Unwohlsein in der heutigen Zeit beschert.

  2. Raderschadt Harald sagt:

    Viele Erinnerungen haben unsere Großeltern (Emma und Hermann Dombrowski) als Kinder und Erwachsene erzählt auch die Tante Frieda, war mir persönlich und Ihr Mann in sehr guter Erinnerung. So was darf nie wieder geschehen.
    Gruß aus Bayern/Unterfranken

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