Hedwig Schmidt, geb. Trollmann – Wegen rassischer Gründe verwehrt zu heiraten

Grab der Hedwig Schmidt-geb. Trollmann
Grab der Hedwig Schmidt-geb. Trollmann
8. März 1943
Eickedorfer Str./Am Torfkanal, Bremen-Findorff

Hedwig Trollmann gehörte der großen Familie Trollmann an. Im März 1943 wohnte sie am Torfhafen im Findorff. Von hier wurde die 19jährige mit ihrem Kind über den Bremer Schlachthof nach Auschwitz-Birkenau deportiert.

1986 sagte sie in einem Prozess gegen einen SS-Wachmann über ihre Verfolgung aus:

„Am 8. Mai [richtig: März] 1943 wurde ich in Bremen zusammen mit meinen Geschwistern verhaftet. Mein Vater, Hermann Trollmann, und meine Mutter Anna geb. Steinbach, sind damals nicht mitverhaftet worden. Soweit ich erfahren habe, sind meine Eltern aufgrund der Fürsprache des zuständigen Gestapobeamten [richtig: Kriminalbeamten] von der Verhaftung verschont geblieben. Meine Eltern sind inzwischen verstorben. Mit mir sind meine Geschwister verhaftet worden, ich hatte 11 Geschwister. Von meinen Geschwistern lebt noch die Martha Braun und die Luise Franz sowie der Hermann Trollmann . Einfügen möchte ich, dass ich damals ein Kind, eine Tochter, hatte. Diese Tochter ist später im Lager verstorben [Marwita, geb. 18.7.1942, ermordet am 22.5.1943 in Auschwitz]. Erwähnen möchte ich, dass es mir damals wegen angeblicher rassischer Gründe verwehrt war, zu heiraten. Wenn ich mich in meiner Erinnerung nicht täusche, war ich in dem Zigeunerlager [gemeint ist das „Zigeunerfamilienlager“ in Auschwitz-Birkenau] zunächst in dem Block 8 untergebracht, später kam ich in einen anderen Block, es kann der Block 24 gewesen sein. Damals erkrankte ich an der Pferderäude [eine Art Krätze] und kam in den Krankenblock. Nach der Entlassung aus dem Krankenblock war ich im Block 23 oder 25. Vom Zigeunerlager aus brachte man mich in einen Transport nach Ravensbrück. Von Ravensbrück wurde ich nach Altenburg verlegt und von dort nach Schlieben. Auf dem Räumungstransport von Schlieben wurde ich in der Gegend von Merane von den amerikanischen Truppen befreit.
An dieser Stelle möchte ich auf Frau Agatha Winter hinweisen, die heute in Mackenstedt bei Bremen wohnt. Ihren Mädchennamen weiß ich nicht [geborene Bamberger, siehe untenstehenden Literaturhinweis und Foto]. Nach meiner Vorstellung müsste sie über die Vorgänge im Zigeunerlager Auskunft geben können. Während meiner Inhaftierung in Birkenau musste ich im sog. Rollkommando arbeiten. Ich wurde zum Steinetragen gezwungen, ferner hatte ich zusammen mit anderen die Effekten [damit sind Gepäckstücke gemeint] der Leute, die an der Rampe in Birkenau ankamen, nach deren Abführen in die Gaskammer, fortzuschaffen. Wir brachten diese Sachen in die Bekleidungskammer des Zigeunerlagers. Die Bezeichnung Lager Kanada [hiermit sind die „Effektenlager“ in Auschwitz gemeint, in denen die Wertsachen und Gepäckstücke der Ermordeten gelagert wurden. Möglicherweise irrt Hedwig Schmidt hier in der Zuordnung. Zwar gab es auch im „Zigeunerfamilienlager“ eine Kleiderkammer. Ihre Beschreibung trifft jedoch eher auf die „Effektenlager“ zu] sagt mir nichts.
Ich habe miterlebt, wie Häftlinge Strafexerzieren mussten. Auch ich bin zu einem solchen Strafexerzieren gezwungen worden. Auch habe ich mit ansehen müssen, wie Häftlinge ‚auf dem Bock‘ geschlagen worden sind.“

Hedwig Trollmann, verh. Schmidt, verstarb am 22. September 1998 und ist auf dem Waldfriedhof in Rotenburg a. d. W. beerdigt. Die Gräber ihrer Eltern und weiterer Familienangehörigen befinden sich auf dem Waldfriedhof in Vechta.

Dr. Hans Hesse

Literatur:
Zur Familie Trollmann siehe: Hesse, Hans, „Ich bitte, die verantwortlichen Personen für ihre unmenschlichen barbarischen Taten zur Rechenschaft zu ziehen“ – Die Deportation der Sinti und Roma am 8. März 1943 aus Nordwestdeutschland, Bremen 2022, S.108–126.
Zur Familie Agathe Winter, geb. Bamberger, siehe:  Hesse, Hans, Die Familie Friedrich und Marie Bamberger, in: Hesse, Hans, „Ich bitte, die verantwortlichen Personen für ihre unmenschlichen barbarischen Taten zur Rechenschaft zu ziehen“ – Die Deportation der Sinti und Roma am 8. März 1943 aus Nordwestdeutschland, Bremen 2022, S. 135–141.

Quellen: Aussage in: LAV NRW, Abteilung Rheinland, Gerichte Rep. 118 Nr. 2492; Bl. 1374–1376.
Bild: https://grabsteine.genealogy.net/tomb.php?cem=6228&tomb=539&b=S&lang=de

Veröffentlicht am und aktualisiert am 5. Mai 2023

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