Wilhelm Dierks, geboren am 9. Dezember 1900, Sohn des Schneidermeisters Johann Christoff Dierks und dessen Ehefrau Magdalene (geb. Becker), wuchs in der östlichen Vorstadt und im Stephani-Viertel auf. Sein Elternhaus, seit den 1920er Jahren in Borgfeld in der Katrepeler Straße 40, blieb über das Kriegsende 1945 hinaus sein Bezugspunkt.
Er besuchte die Volksschule und absolvierte eine Ausbildung zum Maler. Gegen Ende des 1. Weltkriegs wurde der siebzehnjährige Wilhelm eingezogen. Die Kriegserlebnisse prägten ihn, er entwickelte sich zum uneingeschränkten Kriegsgegner. 1918 wurde er aus politischen Gründen verhaftet.
Sein Vater war Sozialist. Ab 1919 war Wilhelm in der sozialistischen Arbeiterjugend. Dort übernahm er den Posten des Kassierers und war zudem Mitglied in der SPD bis zu deren Verbot 1933. Er folgte von 1922-1934 überzeugt der Vegetarierbewegung und blieb später seinen Ernährungsgewohnheiten treu. In Kriegszeiten setzte ihm die Mangelernährung derart zu, dass er an Gewicht verlor. Er war 164 cm groß und bekam wegen starkem Untergewicht 1942 zusätzliche Lebensmittelrationen.
Im Mai 1928 verließ er Bremen und ging als Malerhandwerker auf Wanderschaft. Sein Weg führte ihn nach Jena. Dort heiratete er am 18.5.1929 Maria Elisabeth Piper (geb. 1898 Byfang/Kr. Essen). Im Februar 1931 zog das Ehepaar nach Bremen, wohnte zunächst zur Miete, ab 1935 wieder bei seinen Eltern in der Katrepler Straße 40.
Wilhelm Dierks war gegen das NS-Regime eingestellt. Als gelernter Maler zwang ihn das NS-Regime ab 1934 der Deutschen Arbeiterfront (DAF) beizutreten. Ab 1933 besaß er ein Haus in Kattenesch als Rückzugsort. Polizeilich gemeldet blieb er bis 1945 bei seinen Eltern, erst danach erfolgte die Ummeldung zum Ochtum Deich.
Mit Kriegsbeginn nahm seine Unzufriedenheit mit den herrschenden Verhältnissen zu. Er machte aus seiner Meinung keinen Hehl und wurde mehrfach denunziert. Als er 1940 als Maler eine Anstellung bei den Franke-Werken bekam, wurde er irrtümlich als Kommunist angesehen. Die eine oder andere Äußerung von ihm schürten im Betrieb den Verdacht, was sich mit weiteren Beobachtungen nicht erhärtete. Als aber ein polnischer Arbeiter im Werk Überstunden verweigerte, äußerte sich Dierks, dies sollten sämtliche Polen tun. Die Gestapo verwarnte ihn daraufhin.
Wilhelm Dierks 14-jähriger Sohn war mit dem etwas älteren Georg Hattenhauer (jun.) aus der Kattenescher Nachbarschaft befreundet. Der Freund verabschiedete sich von der Familie Dierks am 29. April 1943, er sollte einrücken zu seinem Nachrichtenersatzregiment in Nürnberg. Es ergab sich ein Wortwechsel, in dessen Verlauf Wilhelm Dierks bedauerte, dass der junge Mann sich freiwillig zur SS gemeldet hatte, obwohl er es zuhause deutlich besser hätte. Der Krieg sei ein regelrechtes Morden. Man solle die Menschen in Ruhe und Frieden arbeiten lassen. Kriegsverbrecher müssten weg, damit der Krieg beendet werde. Wilhelm Dierks äußerste sich außerdem zu den im Wald von Katyn gefundenen 12.000 ermordeten polnischen Offiziere. Er bezweifelte, dass sie von den Russen ermordet seien und hielt dies für Propaganda von deutscher Seite gegen den Feind. Angeblich sei dies die Meinung der in den Franke-Werken beschäftigten Polen.
Georg Hattenhauer (jun.) berichtete seinem Vater, einem Oberzollinspektor und Zellenwart der NSDAP, von der Unterhaltung, der daraufhin Wilhelm Dierks denunzierte. Zwei Monate später wurde Dierks verhaftet. Er gab alle Anschuldigungen zu, unter anderem wollte er mit seinen Äußerungen den Wehrwillen des jungen Mannes zersetzen. Er kam ab 26. Juni 1943 in Untersuchungshaft, wurde jedoch wegen Haftunfähigkeit am 2. August 1943 beurlaubt, weil er nur noch „85 Pfund“ wog.
Die Staatsanwaltschaft des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg klagte ihn an wegen „öffentlicher Wehrkraftzersetzung“ und forderte die Todesstrafe. Am 6. Januar 1944 wurde Wilhelm Dierks die Anklageschrift zugestellt. Um sein Leben zu retten, flüchtete er mit seiner Frau sofort in die Schweiz, Freunde halfen ihnen dabei. Gleich nach Grenzübertritt am 23. Januar 1944 wechselte er Reichsmark in Schweizer Franken um. Dieser Umstand genügte später als Beweis für seinen Aufenthalt in der Schweiz, der bis zum 28. Juli 1945 ging. Das Ehepaar war im Flüchtlingslager Orphelinat in „massiven Häusern“ untergebracht, auf einem eingezäunten Gelände und vom Schweizer Militär bewacht.
Nach einer umständlichen Reise war das Ehepaar Dierks am 13. August 1945 wieder in Bremen und stellte fest, dass ihr Haus am Ochtum Deich von der Gestapo mit allem Inventar verkauft worden war. Es kostete sie viel Kraft ihr Eigentum zurückzuerhalten. Wilhelm Dierks starb am 21. Januar 1948 nach einem Herzschlag.
Wilhelm Dierks Bruder Julius (geb. 9. August 1917) war ebenso ein Gegner des NS-Regimes. Er wurde vom NS-Volksgericht wegen politischer Zersetzung angeklagt und kam im Strafgefangenenlager Aschendorfermoor/Emsland nur 4 Tage vor Kriegsende um.
Quellen: StA Bremen E4,54-E670, Einwohnermeldekartei
Veröffentlicht am 7. Mai 2023