Der irische Arbeitssklave Harry Callan: „a forgotten hero“

Harry Callan_1948
15. Januar 1943
Rekumer Siel, Bremen-Farge

Harry Callan wird am 19. November 1923 im zu Großbritannien gehörenden Nordirland geboren, genauer gesagt, in Derry. Allerdings hatte er die irische Staatsangehörigkeit. Schon früh stirbt seine Mutter. 1939 tritt er seine Lehre als Seemann auf einem englischen Schiff an. Harry ist zu diesem Zeitpunkt gerade mal 16 Jahre alt. Im Mai 1940 heuert er auf dem Motorschiff „Afric Star“ an, ein ebenfalls englisches Handelsschiff, das Fleisch von Südamerika nach Großbritannien transportiert.
Am 29. Januar 1941 wird die „Afric Star“ von einem deutschen Marineschiff angegriffen und versenkt. 75 Besatzungsmitglieder der „Afric Star“ werden gerettet und gefangen genommen. Sie werden im von der deutschen Wehrmacht besetzten Bordeaux an Land gebracht und von dort in Eisenbahnzügen ins Stalag XB in Sandbostel verfrachtet.

Anfang 1941 befinden sich im Lager Sandbostel ca. 300 britische Kriegsgefangene. Harry erhält dort die Nummer 90882. Wenig später werden die Kriegsgefangenen in ein Marinelager bei Westertimke überführt. Tatsächlich handelt es sich dabei um zwei getrennte Lager: das Lager Marlag, in dem ca. 3.000 Royal Navy Kriegsgefangene, darunter auch einige US-Amerikaner und Kanadier, untergebracht waren und das Lager Milag für Seeleute der britischen Handelsmarine. Im letzteren wird auch Harry mit mehreren seiner irischen Landsleute gefangen gehalten. Als Kriegsgefangene erhalten sie Lebensmittelpakete des Roten-Kreuzes, haben eine Bibliothek, können sich sportlich betätigen etc. Die Verpflegung ist hier besser als in Sandbostel.

Allerdings ändert sich dies im Januar 1943, als Harry gemeinsam mit 32 anderen irischen Seeleuten von den britischen Kriegsgefangenen getrennt wird. Die Republik Irland ist im Zweiten Weltkrieg neutral geblieben, insofern können die Iren auch nicht als Kriegsgefangene betrachtet werden. Sie sollen als „freiwillige“ Arbeiter in der Kriegsindustrie in Bremen beschäftigt werden. Die Iren verweigern dies. Daraufhin wird die Mannschaft in das Marinelager Bremen-Farge gebracht. Die „Privilegien“ aus dem Lager Milag entfallen. Insbesondere die Rotes-Kreuz-Lebensmittel werden vermisst. Es kommt aber noch schlimmer: wegen ihrer Verweigerung der Arbeit werden die Iren ins „Arbeitserziehungslager“ (AEL) gebracht, das sich ebenfalls in Farge befindet und von der Bremer Gestapo verwaltet wird. In Folge dessen sind sie gezwungen, auf der Baustelle des Bunkers Valentin zu arbeiten.
Schlechte Ernährung, Hunger, Krankheiten, wie Typhus, die brutale, schwere körperliche Arbeit, aber auch die ungeklärte Situation, als Zivilist gefangen gehalten zu werden, setzen Harry physisch und psychisch zu. Während sonstige Häftlinge im AEL höchstens 56 Tage verbleiben, werden Harry und seine Kameraden dort mehr als 2 Jahre verbringen.

In seinen Erinnerungen, die von seiner späteren Schwiegertochter Michèle Callan schriftlich festgehalten werden, attestiert Harry dem Lagerkommandanten des AEL, Karl Walhorn, dass er wenigstens versucht hat, für die Iren die Bedingungen der Genfer Konvention umzusetzen. Offiziell galten die Iren nicht als Kriegsgefangene.

Zum Ende des Krieges werden die 27 verbliebenen Iren zum Lager Milag in Westertimke zurückgebracht. Die übrigen fünf sind an den Folgen der Arbeits- und Lebensbedingungen verstorben. Am 27. April 1945 werden sie dort von britischen Truppen befreit. Einer der Befreier findet im Lager sogar seinen eigenen Vater wieder, der jahrelang in deutscher Haft war.
Es dauert nach der Befreiung noch Wochen bis Harry über Brüssel und Liverpool zurück nach Nordirland kommt. Er wird heiraten, Kinder bekommen und weiterhin zur See fahren. Seine Hafterlebnisse in Farge wird er jedoch nie vergessen. Es zeichnet ihn aus, dass er im hohen Alter dorthin zurückkehrt und die Erinnerungsarbeit des Denkortes Bunker Valentin nach Kräften unterstützt.
Am 24. September 2019 stirbt Harry Callan in Dublin.

Quelle: Michèle Callan „Forgotten Hero of Bunker Valentin“ (Edition Falkenberg, 2018)

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