Stellplatz für Wohnwagen am Torfhafen

Senela & Hakeli Trollmann, Archiv Hans Hesse
Senela & Hakeli Trollmann, Archiv Hans Hesse
Torfhafen/Findorff (Quelle: Brodelpott)
Torfhafen/Findorff (Quelle: Brodelpott)
Torfhafen Findorff,Foto, Heinrich Frantzen, Fotoarchiv SKB-Bremen
Torfhafen Findorff,Foto, Heinrich Frantzen, Fotoarchiv SKB-Bremen
17. Oktober 1939
Am Torfkanal, Bremen-Findorff

Das Areal am Torfhafen war in der NS-Zeit, neben der Stiftstraße in Walle, ein Ort, an dem viele Sinti und Roma mit ihren Wohnwagen stehen mussten. Auch im weiteren Verlauf der Eickedorfer Straße standen Wohnwagen. Anton Schmidt erinnert sich, dass „damals am Torfkanal zirka 30–40 Wohnwagen“ standen. Hier standen nachweislich auch die Wohn- und Betriebswagen der Familien Stein und Trollmann. Weitere Familien hielten sich hier zumindest zeitweise auf: Familie Dickel und Luise und Adolf Franz. Letzterer berichtet, dass hier 40–45 Personen gewohnt hätten und im März 1943 zum Schlachthof geführt worden seien, von wo aus sie nach Auschwitz-Birkenau deportiert wurden.

Ein Grund für diese Nutzung dürfte gewesen sein, dass der Bremische Staat als Vermieter der Grundstücke genannt wird. Es ist zu vermuten, dass nach der Festsetzung 1939 und dem damit verbundenen Erwerbsverbot für Schausteller usw. dringend Platz für die Unterbringung der Wohn- und Betriebswagen benötigt wurde. Dieser fand sich wohl am Torfkanal, so dass es zu dieser großen Ansammlung gekommen ist, die unübersehbar war und den Anwohnern mit hoher Wahrscheinlichkeit aufgefallen ist.

Trotz der hohen Anzahl an Wohn- und Betriebswagen kann nicht von einem „Zigeunerlager“, wie sie z.B. für Köln, Düsseldorf oder Berlin bekannt sind, gesprochen werden. So ist eine zwangsweise Unterbringung aller Sinti und Roma in Bremen an diesem Ort nicht bekannt. Ebenso fehlte eine Umzäunung des Areals oder eine Bewachung. Eventuelle Pläne der Stadt zur Errichtung eines entsprechenden Lagers an dieser Stelle sind ebenfalls nicht überliefert. Gleichwohl konnten sich Sinti und Roma in Bremen die Stellplätze für ihre Wohnwagen – spätestens nach dem Festsetzungserlass 1939 – nicht frei aussuchen. Und auch vor 1939 war dies nur mit bestimmten Auflagen möglich (Link auf die Seite mit dem Hinweis auf das Wohnwagengesetz). So legte eine Polizeiverordnung vom 4. August 1933 die Bedingungen für das Wohnen in Wohnwagen auf freien Plätzen fest. Diese Verordnung war so angelegt, dass es nahezu unmöglich war, mit einem Wohnwagen in Bremen zu stehen. Diese Verordnung wurde nochmals durch das so genannte „Zigeuner- und Arbeitsscheuengesetz“, das am 10. August 1933 in Kraft trat verschärft. Der damalige Innensenator Theodor Laue so es als Erfolg dieses Gesetzes an, dass es mit ihm gelungen sei, Sinti und Roma „aus dem bremischen Staatsgebiet durchweg zu entfernen oder von ihm fernzuhalten.“ Diese Behauptung traf nicht zu, aber ganz sicher wurde es Sinti und Roma erschwert, in Bremen zu wohnen, zumal in einem Wohnwagen.

Auch nach 1945 standen an diesem Ort diverse Wohnwagen. Anton Schmidt lebte hier fünf Jahre. Mit der Einrichtung des „Landfahrerlagers Riespott“, mussten die hier wohnenden Sinti den Torfhafen verlassen und wurden gezwungen, mit ihren Wohnwagen an den Stadtrand Bremens zu ziehen.

Historische Fotos aus der NS-Zeit und der unmittelbaren Nachkriegszeit, die diesen Wohnwagenplatz zeigen, sind bis heute nicht aufgefunden worden.

Dr. Hans Hesse

Literatur:

Hesse, Hans, „Ich bitte, die verantwortlichen Personen für ihre unmenschlichen barbarischen Taten zur Rechenschaft zu ziehen“ – Die Deportation der Sinti und Roma am 8. März 1943 aus Nordwestdeutschland, Bremen 2022, S. 102.
Hesse, Hans, Schreiber, Jens, „Vom Schlachthof nach Auschwitz. Die NS-Verfolgung der Sinti und Roma aus Bremen, Bremerhaven und Nordwestdeutschland“, Marburg 1999, S. 57–62.

Veröffentlicht am und aktualisiert am 16. Mai 2023

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