Ein Stolperstein in Katalonien erinnert an Miquel Obradors Mas

Miquel Obradors Mas, ca. 1940-1944; Foto: In Familienbesitz.
Stolpersteine auf dem Rathausplatz von Navàs, 2022; Foto: Anja Hasler.
Portemonnaie und Fotografien aus dem Besitz von Miquel Obradors Mas, Foto: Arolsen Archives.
15. Juli 1944
Lagerstraße, Bremen

Die katalanische Kleinstadt Navàs (Provinz Barcelona) war 2016 die erste Gemeinde, die in Spanien Stolpersteine verlegen ließ. Am 29. Januar 2019 kam ein weiterer Stein hinzu, für Miquel Obradors Mas, der im Sommer 1944 in das KZ-Außenlager Bremen-Farge eingewiesen wurde.

Miquel Obradors wurde am 13. September 1900 in Navàs geboren. Er war Mitglied in der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft CNT und in der Esquerra Republicana de Catalunya (ERC), einer linken Regionalpartei, die sich für die Unabhängigkeit Kataloniens einsetzte. Im Jahr 1922 war er Mitglied des Stadtrates von Navàs.

Im Februar 1936 gewann ein linkes Parteienbündnis die Wahlen in Spanien, doch bereits wenige Monate später putsche das Militär gegen diese demokratisch gewählte Regierung. Es folgte ein dreijähriger Bürgerkrieg, in dem die faschistischen Kräfte, unterstützt durch Monarchist*innen, Großgrundbesitzer*innen und die Kirche gegen die Republik und ihre Unterstützer*innen kämpften. General Francisco Franco war der Anführer der ausgerufenen Gegenregierung. Das nationalsozialistische Deutschland unterstütze Franco, weswegen der Spanische Bürgerkrieg auch als Auftakt des Zweiten Weltkrieges bezeichnet wird. Der Krieg endete mit dem Sieg Francos, der bis zu seinem Tod 1975 an der Macht blieb.

Miquel Obradors kämpfte in der republikanischen Armee gegen Francos Truppen. Zu einem unbekannten Zeitpunkt floh er ins Exil nach Frankreich. Seine Frau und ihre gemeinsame Tochter musste er zurück lassen. Eine Rückkehr nach Spanien war ihm nicht ohne Weiteres möglich; dort drohte den politischen Gegnern der Franco-Diktatur Folter, Lagerhaft oder Hinrichtung. Etwa 140.000 geflüchtete Spanier*innen blieben im französischen Exil, wo die Männer Arbeitsdienste für die Regierung leisten mussten. Miquel Obradors war in verschiedenen Arbeitskompanien in den Departements Dordogne und Corrèze eingesetzt. Im Juni 1940 besetzte die deutsche Wehrmacht den Norden Frankreichs, die neu eingesetzte Regierung im Süden kollaborierte mit den Nationalsozialisten. Miquel Obradors schloss sich 1944 in Corrèze dem französischen Widerstand (Résistance) an. Unter unbekannten Umständen wurde er im Sommer desselben Jahres festgenommen und in das Lager Royallieu in Compiègne eingewiesen, zu diesem Zeitpunkt ein Sammellager für Deportationen in deutsche Konzentrations- und Vernichtungslager. Sechs Tage später wurde er in das Konzentrationslager Neuengamme deportiert. Miquel Obradors erhielt dort die Häftlingsnummer 36722 und wurde dem Außenlager Bremen-Farge zugeteilt. Sein weiteres Schicksal ist nicht überliefert, er gilt als verschollen.

Der Kontakt zu seiner Familie war bereits 1944 abgebrochen. Es dauerte viele Jahrzehnte, bis seine Enkelinnen von der Deportation nach Neuengamme und nach Bremen erfuhren. Im Jahr 2018 teilte ihnen Irma Bousquet von der französischen Amical de Neuengamme mit, dass in den Arolsen Archives ein Portemonnaie mit Fotografien lagerte, das Miquel Obradors Mas bei seiner Ankunft in Neuengamme abgenommen worden war. Diese Gegenstände sind inzwischen wieder in Familienbesitz. Durch den Stolperstein ist Miquel Obradors Geschichte nun auch im öffentlichen Raum sichtbar.

Text: Anja Hasler

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